Aus aller Welt kommen Flüchtlinge zu uns. Sie flüchten vor Bomben und Krieg, vor Gewalt und Hass. Nicht nur unsere Politiker scheinen von der Welle der Flüchtigen überrascht zu sein. Doch ist das alles wirklich neu? Vielleicht hilft ein Blick in die Vergangenheit. Was waren nach 1945 die Ursachen der Fluchtbewegung? Ein Land kann exemplarisch Auskunft geben: Jugoslawien. Hier siedelten seit dem 18. Jahrhundert die sogenannten Donauschwaben. Mit dem Sieg der Roten Armee verübten die Tito-Partisanen an ihnen einen in Deutschland nicht beachteten Genozid. In einem Zeit- und Figurenpanorama von 1941 bis etwa 1947 schildert Die Schwarze Flucht die Ursachen dieses Genozids. Im Mittelpunkt der konzentrierten Momentaufnahmen zwischen Prosa und Lyrik stehen die donauschwäbischen Bauern Johann und Elisabeth Helfrich sowie ihre kleine Tochter Paula. Auf dem Schlachtfeld bekämpfen sich Elisabeths Bruder Ludwig – Mitglied der SS-Division Prinz Eugen – und die Partisanen Pero und Peko. Alle Figuren treffen sich im Todeslager Gakowa wieder, aus dem Johann und Elisabeth schließlich die „Schwarze Flucht“ nach Deutschland gelingt.

Ausschnitte aus dem Buch Die Schwarze Flucht: 1 2 3 4

  • Mais, Weizen, Kragenspiegel

    Ludwig denkt malerisch: Hanf, Melonen, Weizen, Rüben, Raps - alles ist bunt und hat seine Farbe, das eine steht bereits in voller Blüte, das andere keimt, ist schüchtern und fängt erst im nächsten Monat richtig zu wachsen an. Kartoffeln. Paprika. Mais: Der flaschengrüne Kukuruz, dem schon das matte Gelb des Herbstes auflauert, wo hat er diesen wunderschönen Satz gelesen?

    Ein Streifen Feld, nicht größer als ein Joch, der nächste Streifen ist dann halb so groß, mit nur ihm charakteristischer Färbung, von anderer Schattierung und vom Wind auch ganz anders bewegt. Zwischen den Feldern breite Entwässerungskanäle, die Grenzen bilden zwischen den Grundeigentümern und die wasserreiche Donau zähmen, die sonst die Ernte überschwemmte. Das, denkt Ludwig, ist Ordnung und muss und soll so sein. Deutscher Tatendrang, Ehrgeiz und Eifer, Wissen und Können drücken sich in diesen bunten, schwäbischen Fluren aus.

    Er durchkreuzt selbstsicher einen staubigen Streifen Sonne, nimmt den Weg quer durch Darda, promeniert vom Wolfseck hin zum Hanffeld, von da aus die Wege zur Hutweide und wieder zurück. Ludwig führt die neue Uniform spazieren, die ihm ein Schneider in Kikinda nach seinen Angaben angefertigt hat, mit Kragenspiegel und Schulterklappen, Ärmeladler, Ärmelstreifen

    - und auch noch mit einer einmaligen Besonderheit: Die Odalsrune der SS-Division Prinz Eugen prangt an seinem Ärmel. Wegen dem Kragenspiegel gab’s schon Ärger. Nur ein Reichsdeutscher darf den tragen, schrie ihn ein Offizier auf der Straße an. Wegen dem wird er die teure Uniform vom Schneider nicht mehr ändern lassen.

  • Pfauenfedern

    Roter Stehkragen, goldene Epauletten, langer, einreihiger Frack aus dunkelblauem Samt, Weste und Beinkleid blütenweiß, Schärpe mit Quasten, weißgolden um die Taille, den reich verzierten Marschallstab in der Hand, so steht Ludwig vor dem Allerhöchsten und trägt den von ihm ausgetüftelten Angriffsplan vor: Der Feind im Kessel, umzingelt von deutschen Soldaten! An einer auf den 1. Blick taktisch völlig unbedeutenden Stelle aber hat Ludwig motorisierte Regimenter, ja sogar sechs Panzerdivisionen massiert - höchst befremdliche Entscheidung.

    Die phantastische Massierung von beweglicher Feuerkraft an diesem kuriosen Ort entspringt allein seiner überragenden Intuition. An dieser Stelle, nirgends sonst, wird der Feind durchbrechen! Der Führer sieht auf den Plan, schweigt lange und nickt schließlich erfreut mit dem Kopf: Ja, hier wird er durchgehen wollen, der Partisan! Er beglückwünscht Ludwig und stellt ihn dem Wehrmachtsstab als talentierten Strategen vor - prächtig schlagen bunte Pfauenfedern auf allen Köpfen Räder wie in einem Traum.

  • Der Tanz

    Hart drückt die Stufenkante sich in Annas Knie, seit Stunden wischt sie mit einem groben Scheuerlappen in der Kurie Treppe für Treppe. Eben, als sie den schmutzigen Lappen über dem Eimer auswringen will, erhält dieser einen Stoß, Wasser schwappt über, der Eimer kullert scheppernd die Stufen hinab. Erschrocken sieht Anna auf und blickt in das boshafte Gesicht des Studenten, der dem Eimer den kräftigen Fußtritt verpasste. Neben ihm, in einer neuen goldbetressten Uniform mit roten Knöpfen, steht ein Partisan mit finster-hagerem Gesicht, den rechten Arm in Gips. Vor Schreck erbleicht Anna: Es ist der Kommandant der Milchhalle, wegen seiner Misshandlungen gefürchtet. Er hat sich den rechten Arm aus Abscheu und Hass gegen die Deutschen eingipsen lassen, um seinen Schlägen eine größere Härte zu verleihen.

    Jetzt hebt er den Arm - Anna duckt sich unwillkürlich - und legt ihn dem Studenten auf die Schulter Lass das! Und dann, mit einem Blick auf Anna: Wer ist diese Frau? - Anna Fierling, sie arbeitete als Sekretärin bei der Gestapo, ihr Mann kämpft bei der Prinz Eugen. Der Student spuckt vor Anna aus dreckige Schwäbin! - Wenigstens verstand die Gestapo etwas von Frauen, sagt der Kommandant und lacht. Der Student grunzt nur und blickt Anna feindselig an. Kannst du tanzen? fragt der Kommandant.

    Anna, verwirrt, nickt. - Komm mit! Verstört folgt sie den beiden Männern in einen Saal. In der Mitte des Raums bilden aneinander gereihte Tische ein großes Rechteck. An den äußeren Seiten sitzen Schnauzbärtige und trinken Schnaps aus Wassergläsern. Eine kleine Kapelle mit Dudelsack spielt einen Kolo auf; die Sitzenden erheben sich, erklimmen die Tische und hopsen auf der anderen Seite zu Boden - laute Schmerzensschreie. Erhebt euch, spotten die Partisanen. Anna begreift nun, was sich abspielt:

    Bis zum äußersten ist das die Tanzfläche bildende Rechteck aufgefüllt mit den Leibern von Schwaben, auf denen die Schnauzbärtigen jetzt tanzen. Die Musik schwillt an, wird lauter, übertönt die Schreie, das Stöhnen. Dole! Dole! Niederwerfen! Anna wird vom Gipsarm des Kommandanten roh gepackt, auf einen Tisch gehoben; sie meint, in einem der Rücken eine Freundin zu erkennen und spürt gleich danach diesen Körper weich und nachgiebig unter ihren Schuhen. Sie strauchelt, wird heftig emporgerissen und sieht, wie manch einer der Tänzer seine Stiefelabsätze wuchtig in die Leiber rammt. Blut färbt die Kleider ein, bildet Flecken, während Anna im Arm des Kommandanten über die Tanzfläche stolpert. Sie spürt jetzt heiß den Atem des Begehrlichen an ihrer Wange, sein Geschlechtsteil, steif. - Ja, sie wird ihm in allem willfährig sein: Tanzt sie nicht zitternd ihren Totentanz? Und wird ihn überleben!

  • Zwei Seen

    Zwischen den beiden Naturwundern schlängelt sich die Straße hindurch. Fast kreisförmig liegt weit unter ihnen zur Linken der tiefrote, zur Rechten der tiefblaue See. Ihre rätselhaften Farben ruhen beinahe reglos im hellen Licht der Sonne, nur leicht kräuseln sich auf beiden Seen die Wasserspiegel, als pusteten unsichtbare, geheimnisvolle Luftströme darüber. Mysteriös sind diese Seen, sie heben und senken sich nach einer unbekannten Ursache. Senkt sich der blaue See hinab, so hebt sich der rote See um dasselbe Maß in die Höhe, um dann, nach demselben Gesetz, erneut in die Tiefe zu stürzen, und nur weit oben, jeweils an den Felswänden der Seen, zeigt die rote oder blaue Wassermarke den einstigen Stand der Spiegel an – wie zwei verbundene Waagschalen.

    Kein Anlieger weiß, wie sich dies zuträgt, oder ahnt auch nur den Grund. Gibt man aber, weit entfernt von diesem Ort, in 2 unterschiedliche Flüsse Farben ein, so nimmt das Wasser in den Seen dieselbe Farbe an, und - so erzählen die Anlieger - Fische kommen in den Seen vor, die in ihrer Art denen in den beiden weit entfernten Flüssen entsprechen. Seit - erzählen die Anlieger weiter - aber die Okkupanten das Land in ihrem blutigen Würgegriff hielten, habe sich der rote See nicht mehr gesenkt und sein kreisrunder Behälter sei wie mit Blut bis zum Rand gefüllt.

    Hier - aus Zufall genau zwischen diesen zwei Seen - soll der Anschlag der Partisanen auf den Gegner stattfinden. Als die lang auseinander gezogene Kolonne des Okkupanten endlich - sie besteht aus 120 Lastwagen - angefahren kommt, lässt Peko das Feuer eröffnen. Die Deutschen stellen sich dem Kampf, verzweifelt, zwecklos. Einer nach dem anderen fällt. Die Beute ist enorm: Pferde und Paks, Hunderte von Mulis, 1 Million Dinar, Lebensmittel und Munition. Peko wirft zufällig einen Blick auf die Seen. Erstaunt sieht er, dass der rote See nur noch ein Tümpel ist. Wenn es stimmt, was die Anwohner fromm wähnen - werden die Okkupanten nun endlich besiegt und ihre verbrecherischen Taten aufhören?

Rauhe Gedichte – der Titel gibt den Ton an: Er ist nicht gefühlig, schon gar nicht sentimental. Auch wenn der Leser die Ungewissheiten über die Zeitläufe und das eigene Ich wahrnimmt, so „schrauben“ sie doch eher karg der lyrischen „Seele den Schalldämpfer“ ab. Persönliches wechselt mit Politischem, neben Gebrauchsgedichten stehen Verse im hohen Ton, und alles zusammen ergibt ein Bild, in dem die Sprache abseits von literarischen Trends sichtbar zur Erkennung der Welt und der eigenen Person eingesetzt ist.

Dieser Lyrikband ist in fünf Abteilungen gegliedert, jede beginnt mit einem einführenden Gedicht. Die Einleitungsgedichte geben einen Überblick über die Themen, die den Autor bewegen: die Flüchtigkeit der Liebe, die eigenen Verletzungen, die Spuren der Kindheit, die bohrenden Fragen nach Haus („Das Haus des Menschen“) und Haut („Aus welcher Haut ist mein Gehirn gebaut?“). Eine Eigentümlichkeit dieses Gedichtbandes bilden die Mechanikersonette. Der 1947 in Villany (Ungarn) geborene Autor hat nach seiner Lehre auch als Mechaniker in Ludwigsburg gearbeitet. Nach mehrjährigem Aufenthalt in München lebt Albert Michael Maurer heute in Berlin.

Ausschnitte aus dem Gedichtband Rauhe Gedichte 1 2

  • MINISTERRUNDE

    (eine garstige Geschichte)

    die minister (sie kamen vom mittagsmahl) setzten sich um den ministertisch nummer eins öffnete den mund und spie ein paar rippen schräg über die akte xyz eisbein vollfleischig (mind. 1 kg) schoß nummer zwei haarscharf nebens schlachtfrische kotelett (durchw.) von nummer drei schüchtern legte nunmehr nummer vier mageren schweinebauch dazu in scheiben nummer fünf drückte - stets aufs thema vorbereitet - hackfleisch aus seinen zähnen (100 g 69 pfennig) darauf entringelte sich nummer sechs ungeschickt hinter vorgehaltener hand ein pürzel und kringelte sich zu einem kleinen kreis auf sauber rechteckiges din a vier papier nummer sieben zog endlose schweinedärme aus spitz gerundeten lippen und reinigte sie hastig während er sprach mit sehr eleganten fingerübungen überraschend für alle ergriff nummer acht das wort und widersetzte sich mit einem fertigen schweinebraten (w.gew.m.kn. - aus eigener herstellung) darüber gerieten die minister in streit der trickige kanzler mußte seine berühmten macht- und zauberworte sprechen und siehe da auf dem ministertisch erhob sich eine große prächtige und trächtige sau mit rosa schleifchen und hufen und verneigte sich quiekend vorm beifall der wieder neidlos glücklichen ministerrunde

  • HIMMELSFOLTERER

    An alle Dschihadisten

    Seine Schreie erklangen vom Himmel.
    Ob es nachts oder tags war
    ob es regnete oder schneite
    oder strahlender Sonnenschein war:
    Sie erklangen vom Himmel
    klar und deutlich.

    Die Wissenschaftler richteten Teleskope aus:
    Seine Schreie erklangen im Sonnensystem
    Voyager und andere Sonden
    die unterwegs zu Andromeda waren
    schickten seltsame Linien auf die Monitore:
    Es waren seine Schreie.

    Nun schrie sogar das Wasser.
    Die Bäume schrien.
    Die Berge knackten vor Schmerz.

    Wir flüchteten in Bunker
    die nichts bewirkten:
    Die Atome ihrer Wände schrien.

    Wir hielten uns die Ohren zu.
    Es half nichts:
    Seine Schreie erklangen in uns.

    Himmel und Hölle
    waren jeden Tag voller Schreie.
    Er schrie und schrie.

    Man hörte, wie er sich wandt
    wie er sich losriss, zusammenfiel
    wie er speichelte und schluckte.

    Es war schrecklich zu wissen
    dass ER gefoltert wurde.

Kommst du?
Ja
	sagtest du
		aber nun
zwei Stunden nach der vereinbarten Zeit
ist mir jede Freude genommen.

Meine Ohren schmerzen
vom betäubenden Knistern der Treppe:
			Ich lausche
auf deine Schritte.
		Donnernd
durchbricht eine Fliege die Schallmauer.
Im Bad nebenan
		detoniert ein Wassertropfen.
		
Wenn du kommst
werde ich die Türe nicht
			öffnen können
vor Erschöpfung!

Komposition: Judika und Eilert Bartels

Ich wurde 1947 in Villany (Ungarn) geboren. 1948 übersiedelte meine Familie nach Baden-Württemberg. Ich besuchte die Volksschule in Freiberg a. N. Später Mechanikerlehre. Abitur auf dem 2. Bildungsweg. Studium von Germanistik und Geschichte. Lehrer in Lehrgängen für Jugendliche. Ich habe spät und mit Pausen angefangen zu schreiben. Meine Gedichte wurden in diversen Zeitschriften und Anthologien (litfass, ndl, signum) abgedruckt.

Der Oberbaum Verlag Berlin veröffentlichte den Band „Rauhe Gedichte“.

Weiter erschien die CD „Wo heute der Rauch schleift“ mit vertonten Gedichten von mir. Die Gedichte haben Judika und Eilert Bartels vertont. Gesang: Monika Alice Doberstein.

Wer eines der beiden Bücher oder die CD erwerben möchte, wende sich bitte per E-Mail an mich. Meine E-Mailadresse lautet: eMailadresse kann leider nur mit Javascript angezeigt werden

Die Preisliste:

Die Schwarze Flucht:16,90 €
Rauhe Gedichte:14,90 €
CD:10,00 €

Zuzüglich jeweilige Kosten für das Porto.

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