Ausschnitte aus dem Buch Die Schwarze Flucht:
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Mais, Weizen, Kragenspiegel
Ludwig denkt malerisch: Hanf, Melonen, Weizen, Rüben, Raps -
alles ist bunt und hat seine Farbe, das eine steht bereits
in voller Blüte, das andere keimt, ist schüchtern
und fängt erst im nächsten Monat richtig zu wachsen an.
Kartoffeln. Paprika. Mais: Der flaschengrüne Kukuruz,
dem schon das matte Gelb des Herbstes auflauert,
wo hat er diesen wunderschönen Satz gelesen?
Ein Streifen Feld, nicht größer als ein Joch, der nächste Streifen
ist dann halb so groß, mit nur ihm charakteristischer Färbung,
von anderer Schattierung und vom Wind auch ganz anders bewegt.
Zwischen den Feldern breite Entwässerungskanäle,
die Grenzen bilden zwischen den Grundeigentümern und die wasserreiche
Donau zähmen, die sonst die Ernte überschwemmte.
Das, denkt Ludwig, ist Ordnung und muss und soll so sein.
Deutscher Tatendrang, Ehrgeiz und Eifer, Wissen und Können
drücken sich in diesen bunten, schwäbischen Fluren aus.
Er durchkreuzt selbstsicher einen staubigen Streifen Sonne,
nimmt den Weg quer durch Darda, promeniert vom Wolfseck
hin zum Hanffeld, von da aus die Wege zur Hutweide
und wieder zurück. Ludwig führt die neue Uniform spazieren,
die ihm ein Schneider in Kikinda nach seinen Angaben angefertigt hat,
mit Kragenspiegel und Schulterklappen, Ärmeladler, Ärmelstreifen
- und auch noch mit einer einmaligen Besonderheit:
Die Odalsrune der SS-Division Prinz Eugen prangt an seinem Ärmel.
Wegen dem Kragenspiegel gab’s schon Ärger.
Nur ein Reichsdeutscher darf den tragen,
schrie ihn ein Offizier auf der Straße an. Wegen dem
wird er die teure Uniform vom Schneider nicht mehr ändern lassen.
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Pfauenfedern
Roter Stehkragen, goldene Epauletten, langer, einreihiger Frack
aus dunkelblauem Samt, Weste und Beinkleid blütenweiß,
Schärpe mit Quasten, weißgolden um die Taille,
den reich verzierten Marschallstab in der Hand, so steht Ludwig
vor dem Allerhöchsten und trägt den von ihm ausgetüftelten Angriffsplan vor:
Der Feind im Kessel, umzingelt von deutschen Soldaten!
An einer auf den 1. Blick taktisch völlig unbedeutenden Stelle aber
hat Ludwig motorisierte Regimenter, ja sogar sechs Panzerdivisionen
massiert - höchst befremdliche Entscheidung.
Die phantastische Massierung von beweglicher Feuerkraft
an diesem kuriosen Ort entspringt allein seiner überragenden Intuition.
An dieser Stelle, nirgends sonst, wird der Feind durchbrechen!
Der Führer sieht auf den Plan, schweigt lange und nickt schließlich erfreut
mit dem Kopf: Ja, hier wird er durchgehen wollen, der Partisan!
Er beglückwünscht Ludwig und stellt ihn dem Wehrmachtsstab
als talentierten Strategen vor - prächtig schlagen bunte Pfauenfedern
auf allen Köpfen Räder wie in einem Traum.
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Der Tanz
Hart drückt die Stufenkante sich in Annas Knie, seit Stunden wischt sie
mit einem groben Scheuerlappen in der Kurie Treppe für Treppe.
Eben, als sie den schmutzigen Lappen über dem Eimer auswringen will,
erhält dieser einen Stoß, Wasser schwappt über, der Eimer kullert scheppernd
die Stufen hinab. Erschrocken sieht Anna auf und blickt in das boshafte Gesicht
des Studenten, der dem Eimer den kräftigen Fußtritt verpasste.
Neben ihm, in einer neuen goldbetressten Uniform mit roten Knöpfen,
steht ein Partisan mit finster-hagerem Gesicht, den rechten Arm in Gips.
Vor Schreck erbleicht Anna: Es ist der Kommandant der Milchhalle,
wegen seiner Misshandlungen gefürchtet. Er hat sich den rechten Arm
aus Abscheu und Hass gegen die Deutschen eingipsen lassen,
um seinen Schlägen eine größere Härte zu verleihen.
Jetzt hebt er den Arm - Anna duckt sich unwillkürlich - und legt ihn
dem Studenten auf die Schulter Lass das! Und dann, mit einem Blick auf Anna:
Wer ist diese Frau? - Anna Fierling, sie arbeitete als Sekretärin bei der Gestapo,
ihr Mann kämpft bei der Prinz Eugen. Der Student spuckt vor Anna aus
dreckige Schwäbin! - Wenigstens verstand die Gestapo etwas von Frauen,
sagt der Kommandant und lacht. Der Student grunzt nur und blickt Anna
feindselig an. Kannst du tanzen? fragt der Kommandant.
Anna, verwirrt, nickt. - Komm mit! Verstört folgt sie den beiden Männern
in einen Saal. In der Mitte des Raums bilden aneinander gereihte Tische
ein großes Rechteck. An den äußeren Seiten sitzen Schnauzbärtige
und trinken Schnaps aus Wassergläsern. Eine kleine Kapelle mit Dudelsack spielt einen Kolo auf; die Sitzenden erheben sich, erklimmen die Tische
und hopsen auf der anderen Seite zu Boden - laute Schmerzensschreie.
Erhebt euch, spotten die Partisanen. Anna begreift nun, was sich abspielt:
Bis zum äußersten ist das die Tanzfläche bildende Rechteck aufgefüllt
mit den Leibern von Schwaben, auf denen die Schnauzbärtigen jetzt tanzen.
Die Musik schwillt an, wird lauter, übertönt die Schreie, das Stöhnen.
Dole! Dole! Niederwerfen! Anna wird vom Gipsarm des Kommandanten
roh gepackt, auf einen Tisch gehoben; sie meint, in einem der Rücken
eine Freundin zu erkennen und spürt gleich danach diesen Körper
weich und nachgiebig unter ihren Schuhen. Sie strauchelt, wird heftig
emporgerissen und sieht, wie manch einer der Tänzer seine Stiefelabsätze
wuchtig in die Leiber rammt. Blut färbt die Kleider ein, bildet Flecken,
während Anna im Arm des Kommandanten über die Tanzfläche stolpert.
Sie spürt jetzt heiß den Atem des Begehrlichen an ihrer Wange,
sein Geschlechtsteil, steif. - Ja, sie wird ihm in allem willfährig sein:
Tanzt sie nicht zitternd ihren Totentanz? Und wird ihn überleben!
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Zwei Seen
Zwischen den beiden Naturwundern schlängelt sich die Straße hindurch.
Fast kreisförmig liegt weit unter ihnen zur Linken der tiefrote,
zur Rechten der tiefblaue See. Ihre rätselhaften Farben ruhen beinahe reglos
im hellen Licht der Sonne, nur leicht kräuseln sich auf beiden Seen
die Wasserspiegel, als pusteten unsichtbare, geheimnisvolle Luftströme darüber.
Mysteriös sind diese Seen, sie heben und senken sich
nach einer unbekannten Ursache. Senkt sich der blaue See hinab,
so hebt sich der rote See um dasselbe Maß in die Höhe, um dann,
nach demselben Gesetz, erneut in die Tiefe zu stürzen, und nur weit oben,
jeweils an den Felswänden der Seen, zeigt die rote oder blaue Wassermarke
den einstigen Stand der Spiegel an – wie zwei verbundene Waagschalen.
Kein Anlieger weiß, wie sich dies zuträgt, oder ahnt auch nur den Grund.
Gibt man aber, weit entfernt von diesem Ort, in 2 unterschiedliche Flüsse
Farben ein, so nimmt das Wasser in den Seen dieselbe Farbe an,
und - so erzählen die Anlieger - Fische kommen in den Seen vor,
die in ihrer Art denen in den beiden weit entfernten Flüssen entsprechen.
Seit - erzählen die Anlieger weiter - aber die Okkupanten das Land
in ihrem blutigen Würgegriff hielten, habe sich der rote See nicht mehr gesenkt
und sein kreisrunder Behälter sei wie mit Blut bis zum Rand gefüllt.
Hier - aus Zufall genau zwischen diesen zwei Seen - soll der Anschlag
der Partisanen auf den Gegner stattfinden. Als die lang auseinander
gezogene Kolonne des Okkupanten endlich - sie besteht aus 120 Lastwagen -
angefahren kommt, lässt Peko das Feuer eröffnen. Die Deutschen stellen
sich dem Kampf, verzweifelt, zwecklos. Einer nach dem anderen fällt.
Die Beute ist enorm: Pferde und Paks, Hunderte von Mulis,
1 Million Dinar, Lebensmittel und Munition. Peko wirft zufällig einen Blick
auf die Seen. Erstaunt sieht er, dass der rote See nur noch ein Tümpel ist.
Wenn es stimmt, was die Anwohner fromm wähnen - werden die Okkupanten
nun endlich besiegt und ihre verbrecherischen Taten aufhören?